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Landesradverkehrsnetz Sachsen-Anhalt – LRVN 2020

Am 1. Juni 2021 wurde das Landesradverkehrsnetz für Sachsen-Anhalt, kurz LRVN 2020, vom Kabinett beschlossen. Im Ergebnis der baulastträgerübergreifenden Netzkonzeption liegt nun erstmals eine übergeordnete Planungsgrundlage für die Umsetzung eines landesweiten alltagstauglichen Radverkehrsnetzes vor. Das LRVN 2020 hat im derzeitigen Planungsstand eine Gesamtlänge von rund 4.720 Kilometern, die sich entsprechend der Netzkonzeption auf alle Baulastträger verteilen. Im Rahmen des Projektes wurden darüber hinaus erstmals Qualitätsstandards für die Planung und Umsetzung von Radverkehrsanlagen in Sachsen-Anhalt erarbeitet und ressortübergreifend abgestimmt.

Ziel des Projektes

In den vergangenen Jahren hat sich der Fahrradtourismus in Sachsen-Anhalt zu einem bedeutenden Wirtschaftszweig entwickelt. Doch Radverkehr ist viel mehr. Er wird immer wichtiger für die Alltagsmobilität der Menschen in unserem Land. Als Teil eines modernen und zukunftsfähigen Verkehrssystems leistet das Fahrrad einen bedeutenden Beitrag zur Erreichung der Klimaziele. Zugleich trägt es besonders in den ländlich geprägten Regionen zur Daseinsvorsorge bei. Ziel ist es deshalb, die Mobilitätsangebote des ÖPNV und den Radverkehr weiterzuentwickeln, beides noch besser miteinander zu verknüpfen und damit zukunftsfähig zu machen. 

Dafür will das Land ein lückenloses, gut befahrbares und sicheres Radverkehrsnetz schaffen. Doch Radverkehr beginnt vor Ort. Im Alltagsradverkehr geht es nicht um weite Strecken. Vielmehr geht es um kurze Wege zwischen den Orten - zur Arbeit, zur Schule und zum Einkaufen. Der größte Teil der Infrastruktur liegt in kommunaler Hand. Deshalb kann nur eine gemeinsame Planung und Umsetzung mit den Kommunen das anspruchsvolle Projekt „Landesradverkehrsnetz“ zum Erfolg führen. Dieser Ansatz, bereits das Netzkonzept baulastträgerübergreifend zu planen, ist neu und die Ortskenntnisse der kommunalen Akteure sind hierbei von unschätzbarem Wert.

Grundlagen der Netzplanung

Die Planung des Landesradverkehrsnetzes startete im Dezember 2019 mit einem Informationsschreiben und Beteiligungsaufruf an alle Kommunen in Sachsen-Anhalt. Zahlreiche Radverkehrskonzepte und Informationen zu geplanten Projekten wurden daraufhin von den Kommunen als Input für die Netzplanung zugearbeitet. 

Zur Begleitung des Projektes wurde eine Planungsgruppe eingerichtet, in der neben den fachlich zuständigen Landesministerien und der Landesstraßenbaubehörde auch die kommunalen Baulastträger, vertreten durch die Landkreise und die drei kreisfreien Städte, mitarbeiten.  In dieser Planungsgruppe wurden zunächst die Grundlagen der Netzplanung diskutiert: Nach welcher Systematik wird geplant? Welche Qualitätsstandards sollte eine alltagstaugliche Infrastruktur aufweisen? Wie kleinteilig soll das Landesradverkehrsnetz geplant werden? In welcher Planungstiefe beginnt künftig die Zuständigkeit der Kommunen, das Landesradverkehrsnetz mit eigenen Konzepten zu verdichten.

Auf der Grundlage dieser Vorgaben wurde zunächst ein Wunschlinienkonzept entwickelt und abgestimmt und im zweiten Schritt der erste Entwurf des Zielnetzes erarbeitet.

Beteiligung der Kommunen

Der Entwurf des Zielnetzes und eine erste Vorbewertung der Streckenabschnitte anhand der Qualitätskriterien erfolgten auf der Grundlage von Kartendaten, Luftbildern, der Zustandsbewertung der Radwege an Landesstraßen aus dem Jahr 2017 und den zugelieferten Netzkonzepten und Planungsunterlagen der Kommunen.

Um den Entwurf des LRVN 2020 und die Bewertung der einzelnen, aber vor allem der kommunalen Streckenabschnitte qualitativ durch lokales Wissen weiter zu verbessern, wurden im Rahmen einer sechswöchigen Online-Beteiligung alle Kommunen gebeten, den Entwurf im Detail für den jeweiligen Zuständigkeitsbereich zu prüfen und sich mit Hinweisen und Anregungen in die Netzplanung einzubringen. Auch der Städte- und Gemeindebund hat wesentlich dazu beigetragen, das Beteiligungsverfahren bekannt zu machen.

Über 160 Kommunen haben die Netzplanung mit mehr als 1500 Hinweisen und Anregungen unterstützt. Das zeigt, welche Bedeutung das Thema Radverkehr auf allen Ebenen im Land inzwischen einnimmt. Darüber hinaus haben sich die benachbarten Bundesländer, die Regionalen Planungsgemeinschaften, der ADFC, der ADAC und weitere Akteure mit Stellungnahmen beteiligt.

ALRIS – Amtliches Landes-Radverkehrsinfrastruktur-Informationssystem

Finalisierung und Beschluss der Netzkonzeption

Das LRVN 2020 hat im derzeitigen Planungsstand eine Gesamtlänge von rund 4.720 Kilometern. Mit der Netzkonzeption werden die drei Oberzentren, 23 Mittelzentren und 91 Grundzentren angebunden. Neben den zentralen Orten wurden bei der Netzkonzeption 254 Gemeinden und Ortsteile mit Verwaltungssitz und/oder Standorten weiterführender Schulen und/oder Schnittstellen im Bahn-Bus-Landesnetz sowie 218 Gemeinden und Ortsteile mit mehr als 800 Einwohnenden berücksichtigt. Zudem sind Verbindungen zu 22 Mittel- und Oberzentren in den benachbarten Bundesländern vorgesehen.

Im Rahmen des Projektes wurden darüber hinaus erstmals Qualitätsstandards für die Planung und Umsetzung von Radverkehrsanlagen in Sachsen-Anhalt erarbeitet und ressortübergreifend abgestimmt. Die Qualitätsstandards beinhalten die für den Radverkehr zulässigen Führungsformen und geben vor, unter welchen Randbedingungen diese künftig in Sachsen-Anhalt zur Anwendung kommen sollen. Weitere Vorgaben der Qualitätsstandards betreffen die Breite und Oberflächengestaltung der Radverkehrsanlagen, den Einsatz von Markierungselementen, Beleuchtung und Querungsstellen. Die gesetzten Standards sollen weiterentwickelt und bei Bedarf auch fortgeschrieben werden. Die Anwendung der Qualitätsstandards wird dazu beitragen, dass die Radverkehrsanlagen sicher gestaltet, gut befahrbar und ganzjährig nutzbar sind. Sie sind für Planungen des Landes verbindlich zur Anwendung vorgeschrieben und werden den Kommunen zur Anwendung empfohlen. Darüber hinaus sind sie im Rahmen der Förderung oder bei finanziellen Zuschüssen für den Bau von Radverkehrsanlagen für Kommunen und andere Zuwendungsempfänger verbindlich zur Anwendung vorgeschrieben.

Das LRVN 2020 ist kein starres Netzkonzept. Neue Erkenntnisse und Informationen werden dazu beitragen, dass sich das Netzkonzept in Zusammenarbeit mit den Kommunen auch in den nächsten Jahren weiterentwickeln wird. So ist für die Jahre 2022/23 eine umfangreiche Zustandserfassung geplant, die dazu beitragen wird, die vorliegenden Netzinformationen zu validieren und hieraus Maßnahmen abzuleiten.

Umsetzungsstrategie

Das LRVN 2020 bindet alle Baulastträger gleichermaßen ein. Nur so kann ein lückenloses und alltagstaugliches Radverkehrsnetz entstehen. Folglich liegt auch die Umsetzung des Netzes nicht nur bei Bund und Land, sondern auch bei den Landkreisen und Gemeinden.

Die Umsetzung von Radverkehrsanlagen durch das Land erfolgte bisher auf der Grundlage der sogenannten Radwegebedarfspläne Bund und Land, die am 14. Juni 2022 aufgehoben und durch das LRVN 2020 abgelöst wurden. Um flexibler auf die jeweiligen Rahmenbedingungen reagieren zu können, erfolgt die Priorisierung der Maßnahmen künftig eigenverantwortlich durch die Regionalbereiche der Landesstraßenbaubehörde in Abstimmung mit den Landkreisen. Damit erhalten die Kommunen mehr Mitspracherecht, übernehmen aber auch mehr Verantwortung bei Entscheidungen zur Umsetzung des Landesradverkehrsnetzes.

Vorrang bei der Umsetzung haben die im LRVN 2020 dargestellten Netzlücken. Hierbei handelt es sich um Verbindungen mit hohem Nutzerpotenzial bei gleichzeitig hohen Verkehrsbelastungen (Definition gemäß Qualitätsstandards für Radverkehrsanlagen in Sachsen-Anhalt), auf denen bisher keine Radverkehrsanlage vorhanden ist.

Bei Verbindungen mit mittleren Verkehrsbelastungen ist die Führung im Mischverkehr grundsätzlich zulässig. Ein Zusatzangebot kann jedoch angezeigt sein, wenn:

  • die Straßenbreite außerorts weniger als 6,25 Meter und innerorts weniger als 5,75 Meter beträgt oder
  • der Schwerverkehrsanteil über 10 Prozent liegt oder
  • die Strecke eine Steigung in Fahrtrichtung von mindestens 5 Prozent aufweist oder
  • die Strecke eine starke Kurvigkeit aufweist oder
  • auf dem Streckenabschnitt eine überregionale touristische Radroute (gemäß LRVP 2030) geführt wird oder
  • in regelmäßiges hohes Radverkehrsaufkommen insbesondere auch durch vulnerable Personen zu erwarten ist oder
  • der Abschnitt ein Lücke zwischen vorhandenen Radverkehrsanlagen darstellt, die auf kurzen Abschnitten einen ungeschützten Führungswechsel mit einem erhöhten Gefahrenpotenzial bedingen.

Der Bestand an straßenbegleitenden Radwegen an Bundes- und Landesstraßen ist zu erhalten und soll im Zuge von Um- und Ausbaumaßnahmen an den Zielstandard gemäß den Qualitätsstandards für Radverkehrsanlagen des Landes Sachsen-Anhalt angepasst werden.

Welche Vorgehensweise die Landkreise und Gemeinden zur Priorisierung ihrer kommunalen Maßnahmen wählen, stellt eine Angelegenheit der kommunalen Selbstverwaltung (eigener Wirkungskreis) dar und liegt nicht in der Entscheidung des Landes. Das Land wird die Umsetzung kommunaler Radverkehrsinfrastruktur in den nächsten Jahren mit Bundes- und EU-Mitteln fördern.